"Wenn nichts mehr läuft - laufe!"
„Pole - pole“
Zwei Lauftherapeutinnen auf dem Weg zum Kilimanjaro, mit 5895 m der höchste Berg Afrikas. Für die eine, die Verwirklichung eines Lebenstraumes, der seit der Kindheit Bestand hatte (und hat) – für die andere die spontan getroffene Entscheidung dabei zu sein und die Erwartung einer völlig neuen Lebenserfahrung.
Als Lauftherapeutinnen, Läuferinnen und Bergwanderinnen (Alpen zwischen 2000 und 3000 Höhenmeter) ließen wir uns auf das Abenteuer „Kilimanjaro“ ein, das am 1. Oktoberwochenende mit den „Kili-Aktiv-Tagen“ im Hubert-Schwarz Zentrum in Ungerthal begann.
Nach Informationen zum Wandern in diesen Höhen, zur Reise an sich, zur Bekleidung am Berg und zur individuellen Vorbereitung kam ein erstes leises Kribbeln! Sollen wir uns das wirklich zutrauen?
Die nächsten Monate waren geprägt von Vorbereitungen verschiedenster Art (vom Einkauf, über Läufe und die Planung eines Wanderwochenendes an der Zugspitze) und natürlich einem regen E-Mail Kontakt.
Am 16. August 2014 starteten wir am Frankfurter Flughafen gemeinsam morgens um 7:00 Uhr, landeten abends um 19:45 Uhr am Arusha Airport in einer völlig anderen Welt. Die vielfältigen Eindrücke, die wir von unserer Reise mitnahmen, sei es aus dem Massaidorf, von Melecks Projekt (einer Schule im Armenviertel von Arusha), von der Safari und vor allem von den Begegnungen mit so vielen hilfsbereiten und freundlichen Menschen werden uns wohl noch lange und nachhaltig
beschäftigen.
Die beiden Wörter „Pole - pole“, übersetzt mit „langsam - langsam“ und uns als Lauftherapeutinnen nach dem Paderborner Modell bestens vertraut, begleiteten uns auf den Berg und entfalteten in der Höhe ihre volle Bedeutung. Unsere erste 4-tägige Wanderung führte uns auf den Mont Meru, 4566 Meter hoch. Er bot fantastische Ausblicke auf den Kilimanjaro, vor allem stellte er unsere bergsteigerischen Fähigkeiten auf die Probe. Die letzte Etappe auf den Gipfel kann nur als hochalpin bezeichnet werden und wäre in den Alpen mit Klettersteigen, Stahlseilen und ähnlichem
versehen. Hier erlebte ich die hilfreiche und sichere Hand eines Trägers, der mich behutsam und sicher bei dieser Etappe begleitete. An der Hand von Francis durfte ich erfahren, einmal geführt zu werden, sich ganz auf einen anderen Menschen zu verlassen, einmal in der Rolle derjenigen zu sein, die Hilfe annimmt – im Gegensatz zu meiner sonst üblichen Rolle (als Mutter, im Berufsalltag und in den Laufgruppen).
Gut vorbereitet durch die Tour auf den Mont Meru ging es am Morgen des 22. August 2014 zum Marangu Gate, dem Eingang zum Kilimanjaro. Wir hatten 4 Tage Aufstieg und das Wissen vor uns, am Gipfeltag nachts um 24:00 Uhr in völliger Dunkelheit zu starten, um den Sonnenaufgang am Gilmans Point, Stella Point oder dem Uhuru Peak erleben zu können. Aufregung pur: Adrenalinanstieg, ähnlich wie vor einem ersten Marathon Start. Der Weg führte uns zunächst sanft durch den Regenwald - Zeit um die Umgebung mit ihren Geräuschen, Gerüchen und ihrer Schönheit aufzunehmen. Auch die zweite Tagesetappe zur Horombo Hut (3700m) war sehr angenehm zu wandern. Wir fühlten uns gut akklimatisiert. Der 3. Tag diente zusätzlich der Akklimatisierung, heißt: hoch wandern und tief schlafen. Wir gingen also zu den Zebra Rocks und übernachteten nochmals in der gleichen Hütte. Am 4. Tag ging es dann hinauf zur Kibo Hut (4700 m hoch). Am Tag zuvor erfuhren wir schon von anderen Wanderern, dass es bereits unterhalb der Kibo
Hut schneite und auch der Kili Neuschnee hat. Nochmal schnell umgepackt, warme Sachen raus, überprüft, ob alles passt und am richtigen Platz ist. Und so ging es weiter hinauf. Die Kibo Hut liegt direkt vor dem letzten Anstieg zum Gipfel. Von hier aus lässt sich gut erkennen, wie hoch der Kilimanjaro tatsächlich ist. Wir waren bereits auf 4700 Meter und dennoch steht er als mächtiger Berg vor uns.
Um 18:00 Uhr legten wir uns zum Schlafen. Entgegen aller Erzählungen konnte ich bis zum Wecken um 22:30 Uhr wunderbar schlafen. Aus dem Schlafsack zu schlüpfen gelang uns nur, weil wir von einem heißen Becher Tee/Kaffee erwartet wurden. Nach einem mitternächtlichen Frühstück ging es los. Ausgerüstet mit Stirnlampe, dicken Handschuhen, Thermoskannen mit Tee und Schokoriegel starteten wir in guter Stimmung. Der Weg war gefroren und leicht verschneit, lies sich aber erstaunlich gut gehen. Die Höhe machte sich nun endgültig bemerkbar. Nur noch ganz kleine, langsame Schritte waren uns möglich. Gespräche gab es auch kaum mehr. Nicht so die uns begleitenden Guides, die tatsächlich in einer Höhe von 5300 Meter ein afrikanisches Motivationslied anstimmten. Dies wärmte die Seele, alles andere war nur noch kalt.
Der letzte Anstieg zum Gilmans Point, der auf unsere Route nächste Gipfel, wurde zunehmend steiler und felsiger. Noch „three minutes“, so unser Chiefguide Joseph, der die ganze Gruppe immer wunderbar im Blick hatte. Und dann war es geschafft. Wir standen auf dem Gipfel. Das Gipfelschild im Rücken konnte ich den Sonnenaufgang bei minus 15 C erleben. Ein nicht zu beschreibendes Gefühl stellte sich ein.
Die letzten beiden Etappen führten uns dann wieder zurück zum Ausgangspunkt, den wir glücklich und erreichten. Lange werden die verschiedenen Erlebnisse, Begegnungen und Emotionen dieser Wanderung nachwirken: Kilimanjaro Bedeutet Faszination – aber auch eigene Grenzen erleben, verschieben, akzeptieren und vielleicht wiederkommen.
Hier schließt sich auch der Kreis zur Lauftherapie, denn unsere Teilnehmer erleben beim Laufeinstieg genau dieses: die bisherigen Grenzen des Körpers und der Seele erweitern, verschieben und hoffentlich weiterlaufen.